Bluetensturm by Carla Minetti

Autor:Carla Minetti [Minetti, Carla]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Contemporary
veröffentlicht: 2014-09-20T22:00:00+00:00

KAPITEL 17

Am nächsten Tag - bald nach dem Mittagessen - waren Christina Sternberger und Prälat Aigner aufgebrochen. An der Falkenwand waren sie aufgestiegen und ließen die prachtvollen Eindrücke ihrer wunderschönen Heimat auf sich einwirken.

Der Prälat hatte sichtlich Spaß und Freude daran, Christina die seltenen Schönheiten der Natur und der heimischen Bergwelt nahe zu legen. Von Zeit zu Zeit unterbrach er ihr angeregtes Gespräch, um ihr ein scheues Tier zu zeigen. Oder eine seltene Blüte, oder zauberhaft schillernde Kristalle, die im Sonnenlicht glänzten. Johann hatte im Laufe der Jahre ein regelrechtes Auge für derlei Dinge entwickelt, die jedem ungeübten Wanderer entgangen wären. Achtlos schlenderten die meisten Menschen an den üppigen Schätzen der Bergwelt vorbei, ohne sie auch nur wahrzunehmen.

Christina genoss jeden Augenblick und bewunderte still, wie viele Dinge der Herr Prälat über eine einzelne Blüte zu erzählen wusste. Und dann diese märchenhafte Landschaft!

Erneut wurde sie von einer beglückenden Empfindung beseelt. Das Schicksal hatte sich gewiss etwas dabei gedacht, sie gerade an diesem traumhaften Ort aufwachsen zu lassen!

Nach einer guten Weile vernahm Christina das machtvolle Rauschen des Wassers, das von hoch oben in wilden Kaskaden durch die Sylphenklamm donnernd in die Tiefe stürzte. Es war ein fesselndes Schauspiel, das sich ihren Augen bot. Das fröhliche Vogelgezwitscher verschwand ganz hinter der beeindruckenden Kulisse des gischtenden und tosenden Wassers. In Jahrtausenden hatte es sich unaufhaltsam seinen Weg durch das Felsmassiv gegraben. Ein beeindruckendes Sinnbild dafür, wozu Vertrauen, Geduld und unermüdliche Ausdauer fähig waren.

»Dort vorne ist auch schon die Brücke!«

Durch das anhaltende Brüllen des Gebirgsflusses, dessen kristallklares Wasser ungezügelt auf Felsvorsprünge spritzte, war die Stimme des Prälaten nur gedämpft zu vernehmen. »Dort müssen wir hinüber! Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zur alten Sießenshütte!«

»Dann können wir endlich eine Rast einlegen!«, rief Christina gegen die donnernden Fluten an.

Mit vorsichtigen Schritten überquerten sie die alten Bohlen der Holzbrücke, die über die Klamm führte. Unter jedem Schritt knarzte und knirschte es verdächtig. Die beiden bemerkten jedoch wegen des unablässigen Wasserrauschens nichts davon. Das Holz war gefährlich glitschig und feucht. Ein unbedachter Schritt konnte hier unabsehbare Folgen haben. Doch in Begleitung des erfahrenen Bergsteigers fühlte Christina sich beschützt und wusste sich in guten und fürsorglichen Händen.

Unbeschadet erreichten sie die andere Seite der Klamm, als Prälat Aigner sich plötzlich neben der Brücke ins Gras kniete. Er machte ein besorgtes, ja finsteres Gesicht.

»Stimmt was nicht?«, fragte Christina verunsichert.

»Nein, nein. Es ist schon in Ordnung«, winkte Johann ab. »Sei aber so gut und erinnere mich später daran, dass ich dem Franz Bescheid gebe. Der soll sich die Sache hier mal genauer ansehen.«

»Was ist denn mit der Brücke?«

»Nichts Außergewöhnliches. Aber hier und da müsste sie bald ausgebessert werden. Sonst könnte sie einem unbedachten Wanderer früher oder später zum Verhängnis werden!«

Der Wanderpfad verbreiterte sich vor ihnen.

Ein kleines Stückchen weiter erhob sich eine herrliche grasgrüne Anhöhe voller Blumen in allen erdenklichen Farben.

Die Luft hing schwer vom Duft zahlreicher Wildkräuter, Blüten und feuchtem Gras, das im Sonnenschein sanft dampfte.

Auf einem felsigen Plateau erwartete sie endlich die Sießenshütte, wo sie sich zur Rast hinsetzten.

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